Letzte Unterhaltungen im Forum
Kaffeekultur im Land des Grüntees: Japan
Ein tiefer Einblick in die japanische Kaffeekultur
Was kommt dir als erstes in den Sinn, wenn du an Japan denkst? Wahrscheinlich nicht unbedingt Kaffee, oder? Ich persönlich würde an Sushi, Anime und Tee denken.
Japan ist in der Tat als Land der Teetrinker bekannt. Der Kaffee kam jedoch etwa zur gleichen Zeit wie in Europa im 16. Jahrhundert nach Japan, wo man heute genauso viel Kaffee importiert wie in Italien.
Um 1900 mussten viele Japaner ihre Heimat vor allem in Richtung des amerikanischen Kontinents verlassen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Viele von ihnen landeten in Brasilien, um auf den Kaffeeplantagen zu arbeiten. Im Gegenzug lieferte Brasilien über einen längeren Zeitraum Kaffee nach Japan. Obwohl der Kaffee selbst das Land schon etwa zur gleichen Zeit erreichte wie Europa, wurde der Grundstein für die Kaffeeleidenschaft der Japaner wahrscheinlich erst zu diesem Zeitpunkt gelegt.
Heute hat Japan seine eigene, einzigartige Kaffeekultur und -tradition. Und genau darüber möchte ich heute berichten!
Kissaten: Die traditionellen Kaffeehäuser
Es ist unmöglich, über Japans Kaffeekultur zu sprechen, ohne Kissaten zu erwähnen. Kissaten sind Japans traditionelle Kaffeehäuser, in denen die Zeit wirklich stehen geblieben ist. Der älteste Kissaten befindet sich im Tokioter Ginza-Viertel und öffnete 1911 seine Türen für Kaffeeliebhaber.
Wie auch kleine Bars in Japan werden Kissaten oft von nur einer Person oder einem Paar betrieben. Dementsprechend sind sie zwar räumlich eher klein, aber dafür umso gemütlicher.
Ganz anders als bei den großen Kaffeeketten unterscheidet sich die Ausstattung von Kissaten grundlegend von allen anderen, denn in der Regel entspricht der Einrichtungsstil einfach dem Geschmack des Besitzers.
Was den Kaffee angeht, so stellen viele Inhaber ein individuelles Kaffeemenü zusammen, das Bohnen aus aller Welt enthält. Oft wird der Kaffee vor der Zubereitung an Ort und Stelle geröstet, wobei manuelle Brühmethoden wie die Nel-Drip-Methode besonders beliebt sind.
Das i-Tüpfelchen ist natürlich die Musik. Da die Kissaten eine entspannende Atmosphäre bieten sollen, hört man beim Betreten oft Jazz- und Bossa-Nova-Klänge. Grundsätzlich verkörpern Kissaten für Japaner die wahre Bedeutung von Ruhe, denn sie sind ein wahrer Zufluchtsort, an dem die Hektik der Stadt verschwindet.
Das Land des Dosenkaffees
Doch Japan wäre nicht Japan, wenn es keine Verkaufsautomaten gäbe. Auf allen japanischen Inseln gibt es fast flächendeckend Verkaufsautomaten. Angeblich kommen auf einen Automaten gerade einmal 23 Japaner!
In jedem Automaten gibt es, wie du vielleicht schon vermutet hast, Dosenkaffee. Das Besondere in Japan ist jedoch, dass man zwischen kaltem und heißem Kaffee aus der Dose wählen kann. Man könnte sich fragen, ob Dosenkaffee unter den Begriff "Kaffeekultur" passt, aber allein die Tatsache, dass die Japaner selbst den allerersten Kaffee in der Dose erfunden haben unterstreicht, wie sehr sie Kaffee lieben.
Kaffeeketten und Specialty Coffee in Japan
Die erste ausländische Filiale von Starbucks wurde in Tokio eröffnet. Und das war kein Zufall, denn die beliebte Kaffeekette kannte die Liebe der Japaner zum Kaffee. Es war eine der ersten internationalen Kaffeehausketten, die in Japan entstanden, gefolgt von weiteren wie Costa Coffee und Blue Bottle Coffee.
Diese Ketten sind hip geworden und besonders bei jungen Japanern beliebt. Ihre Verbreitung erhöht die Zahl der Kaffeeliebhaber im Lande, allerdings geht das manchmal auf Kosten der traditionellen Kissaten.
Spezialitätenkaffee hat auch Japan erreicht, wo kleine Cafés entstehen, in denen auf jeden einzelnen Schritt der Kaffeezubereitung Wert gelegt wird. Diese Läden gehören nicht zu großen Franchise-Unternehmen, sondern sichern sich ihren Marktanteil durch hohe Qualität und das oft minimalistische, hippe Ambiente.
Ein guter Kaffee wird in Japan fast immer mit manuell aufgegossenem Filterkaffee verbunden. Die Niederdruck-Syphon-Methode, die noch zum Ende des 19. Jahrhunderts in Japan die gängige Methode zur Kaffeezubereitung war, ist nach wie vor eine der beliebtesten Brühmethoden.
Die Verwendung einer Maschine für die Kaffeezubereitung widerspricht also dem japanischen Verständnis von Perfektion, aber die Speciality Coffee Läden haben diese Einstellung allmählich geändert, sodass immer mehr Japaner in den Genuss eines perfekt zubereiteten Espresso kommen.
Specialty Coffee Association of Japan
Im Jahr 1987 gründeten Branchenvertreter die Gourmet Coffee Association of Japan, um das Aufkommen von Spezialitätenkaffee in Japan zu unterstreichen. Zwölf Jahre später änderte die Organisation ihren Namen in Specialty Coffee Association of Japan (SCAJ) und veranstaltete die erste World Specialty Coffee Conference and Exhibition im Land.
Bis heute vertritt der SCAJ Japans Speciality Coffee Community und organisiert eine Vielzahl von Aktivitäten, Initiativen, Seminaren, Bildungsworkshops und natürlich Wettbewerben! Zu diesen Wettbewerben gehören:
- Japanische Barista-Meisterschaft
- Japanische Syphonisten-Meisterschaft
- Japanische Latte-Art-Meisterschaft
- Japanische Verkoster-Meisterschaft
- Japan Coffee in Good Spirits Championship
- Japanische Kaffeerösten-Meisterschaft
- Japan Brewers Cup
Alle Gewinner dieser Wettbewerbe repräsentieren Japan bei den alljährlichen internationalen Kaffeewettbewerben und haben bisher sehr gute Platzierungen erreicht.
Abschließende Gedanken
Wie man unschwer erkennen kann, vereint die japanische Kaffeekultur viele Elemente wie Tradition, Innovation, Automatisierung, Modernität, Entspannung und Neugierde miteinander.
Und noch etwas: Die Japaner wissen, dass die Suche nach dem Erfolg zwecklos ist. Wer sein Handwerk liebt und immer nach Wegen sucht, sich zu verbessern, dem wird der Erfolg vermutlich einfach zufliegen.
Gar nicht mal so schlecht für ein Land des Tees, oder?
Über den Autor
Translator and coffee enthusiast. Here to write, read and learn about coffee!