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Kaffeekultur in Bogota: Tinto, Espresso und vieles mehr
Bogotá hat mich in die Welt des Specialty Coffee eingeführt und bietet eine reiche, vielfältige und komplexe Kaffeekultur.
Ich bin 2012 zum ersten Mal nach Bogota gereist, seither ist es zu einer meiner Lieblingsstädte geworden. Damals war der Flughafen El Dorado noch nicht so schön wie heute. Und der Verkehr war schrecklich!
Laut, bunt und lebendig. Es ist leicht, die Stadt für ihr kühles und regnerisches Klima zu verurteilen. Wer in der Nähe von Chapinero wohnt, wird sich womöglich eher wie in einer exzentrischen europäischen Stadt fühlen als in der größten Stadt Kolumbiens.
In den letzten Jahren hat sich die Kaffeekultur in Bogotá stark weiterentwickelt. Ich bin während der Pandemie zwar nicht mehr dorthin gereist, aber die Kaffeekultur ist immer noch unter meinem Radar. Immerhin ist es die Stadt, die mich mit dem Spezialitätenkaffee bzw. Specialty Coffee vertraut gemacht hat.
Tintico con panela: das Markenzeichen
Wenn man durch ein beliebiges Viertel spaziert, sieht man die bekannten Cigarrerías und Straßenverkäufer, die günstigen Kaffee verkaufen, der etwas stärker ist und mit Durchlauferhitzern oder Tropfern zubereitet wird. In Kolumbien nennt man dieses schwarze Kaffeegetränk tinto - ein spanisches Wort, das sich auf seine dunkle Farbe bezieht.
„Por favor, regáleme un tintico“ hört man in Bogota in jeder Cigarreria, wenn man einen schwarzen Kaffee bestellt. Foto von Michael Schmid auf Unsplash
Eines der bekanntesten Rezepte für den Tinto besteht darin, das Kaffeepulver in kochendes Wasser zu geben, das Feuer auszuschalten und das Ganze vor dem Ausschenken ein paar Minuten lang ziehen zu lassen. Ich bin in Venezuela auf Menschen gestoßen, die den Guayoyo nach einer ähnlichen Methode zubereiten, wobei der Tinto allerdings ein höheres Mischungsverhältnis aufweist. In jedem Fall ist panela - oder papelón, wie wir es in Venezuela nennen - das traditionellste und schmackhafteste Süßungsmittel.
Die meisten Menschen brühen ihren Kaffee am frühen Morgen zuhause auf. Aber es ist nicht ungewöhnlich, dass die Cigarrerías und Straßenverkäufer überfüllt sind mit Menschen, die ihre zweite oder dritte Tasse Kaffee am Morgen genießen möchten. Viele frühstücken an diesen Orten schnell und trinken ihren Kaffee mit Empanadas oder ihrem Lieblingsbrot - manchmal mit Bocadillo, kolumbianischer Guavenmarmelade oder Weißkäse gefüllt.
Schicke Cafés: Gomelos Weg zum Kaffee
Das Kaffeetrinken ist eine kolumbianische Tradition, die eher praktisch als symbolisch ist. Anders als der "sombrero vueltiao" ist Kaffee in Kolumbien überall präsent. Es spielt keine Rolle, welcher sozialen Schicht, welchem wirtschaftlichen Status oder welcher Region man angehört. In Bogotá treffen sich Menschen aus allen Teilen Kolumbiens, ob aus den großen Städten oder den vom Krieg zerstörten Dörfern. So leben in Bogotá sowohl die reichsten als auch die ärmsten Menschen, weshalb fast alle Bräuche, Getränke und Erlebnisse rund um den Kaffee erhältlich sind.
Starbucks hat seinen Platz in Bogota trotz aller Widrigkeiten gewonnen. Bild von Edgar Zuniga Jr., veröffentlicht unter einer CC Attribution 2.0 Generic License .
In jüngster Zeit haben Menschen aus Europa und den USA Bogotá zu ihrem neuen Zuhause gemacht, einem bezahlbaren und freundlichen Ort zum Verweilen. Im Gegensatz dazu hat die Migrationskrise in Venezuela Tausende meiner Landsleute nach Bogotá und in viele Städte und Gemeinden Kolumbiens getrieben.
Vielfalt und Ungleichheit sind die zwei Gesichter einer komplexen und schönen Stadt. Und neben den bescheidenen Cigarrerías und Straßenhändlern konkurrieren Starbucks und die Juan Valdez Cafés, die ihre Espresso-Getränke nach italienischem Vorbild anbieten.
Diese Cafés sind strategisch günstig gelegen und befinden sich meist in Einkaufszentren und wohlhabenden Stadtvierteln. Obwohl beide Marken sehr unterschiedliche Kaffeebohnen anbieten, konkurrieren sie in puncto Ästhetik miteinander und ziehen Kunden an, die bereit sind, bis zu zehnmal mehr für eine Tasse Kaffee zu bezahlen als in einer Cigarrería.
Die meisten dieser Kaffeegetränke sind auf Espressobasis und mit einer großen Auswahl an Milch und pflanzlichen Alternativen. Neben den traditionellen Empanadas bieten Juan Valdez und Starbucks auch Croissants und Gebäck an und sprechen damit eine eher internationale und wohlhabende Kundschaft an.
Irgendwo in der Mitte, zwischen diesen teuren Espresso-Getränken und den Cigarrerías, ist Tostao ein bedeutender Akteur in Kolumbien, der vor einigen Jahren mit einer aggressiven Preisstrategie den Markt der Cafés im Sturm eroberte. Tostao richtet sich nämlich an fast alle Typen von Kaffeetrinkern und bietet ordentliche Qualität zu einem möglichst niedrigen Preis.
Spezialitätencafés in Bogotá: Einzigartig. Kultig. Teuer?
Das erste Mal, dass ich von Spezialitätenkaffee hörte, war 2016 in Bogotá auf der Expo Especiales. Bogotá feiert jedes Jahr den Specialty Coffee in Corferias, einem der bedeutendsten Veranstaltungsorte in Lateinamerika.
Café San Alberto im Stadtzentrum von Bogota. Bild mit freundlicher Genehmigung des Café San Alberto .
Die Pandemie legte 2020 alle Kaffeeveranstaltungen in Kolumbien lahm und auch 2021 wurde die Veranstaltung des kolumbianischen Kaffeehandelsverbands wieder eingestellt, doch es scheint so, als könnte sie 2022 wieder stattfinden. Eine andere Veranstaltung, die sich an die breite Öffentlichkeit richtet, wurde 2019 ins Leben gerufen: das Bogota Coffee Fest. Diese Veranstaltung fand 2021 mit einem aufregenden Programm, einschließlich einiger Kaffeewettbewerbe und -verkostungen, erneut statt.
Während diese Veranstaltungen den kolumbianischen Spezialitätenkaffee fördern, hat Bogotá ein steigendes, aber unbeständiges Wachstum von Spezialitätencafés erlebt. Unabhängige Kleinröstereien hatten in den 2010er Jahren einen vielversprechenden Start und wurden von enthusiastischen Kaffeeliebhabern - vor allem von jungen Leuten, die sich als Baristas und Röster in den Kreis der Kaffeespezialisten einreihten - begeistert aufgenommen. In diesem Jahrzehnt startete auch Tostao' durch und entsprach genau den Erwartungen der meisten Menschen: guter Kaffee muss nicht zwingend teuer sein.
Dennoch gibt es ein wachsendes Publikum für Spezialitätenkaffee. In diesen Cafés erklären die Baristas ausführlich die Verarbeitungsmethoden und die Herkunft des Kaffees. Sie raten sogar dazu, den Kaffee zunächst ohne Zucker zu probieren und sich dann zu entscheiden.
Ein Chemex-Kaffee im Libertario. Bild mit freundlicher Genehmigung von Libertario Coffee Roasters
Die Preise in diesen Cafés sind ähnlich wie bei Starbucks und Juan Valdez. Einige können jedoch durchaus günstiger sein, auch wenn sie ziemlich luxuriös aussehen. Auch der Geschmack und das Aroma des Kaffees in diesen Cafés heben sie von anderen ab - mit fruchtigen und blumigen Noten, die selbst unerfahrene Kaffeetrinker mit einem einzigen Schluck umhauen.
Viele dieser Cafés sind ebenfalls Kleinröstereien, die ihre eigenen Sorten und Mischungen anbieten. Im Gegensatz zu den großen Premium-Kaffeeketten wird hier jeden Tag absolut frischer Kaffee serviert. Außerdem werden hier häufiger Chemex-Kaffees serviert, die ein komplexeres Aromaprofil aufweisen.
Eine Ballenpresse im Top 5 Coffee - einem Café, das von Mauricio Romero nach dem Gewinn der nationalen Barista-Meisterschaft eröffnet wurde. Bild: Yker Valerio
Die Geschichte der Spezialitätencafés ist in Bogota sehr lebendig, wobei die Baristas nicht selten gleichzeitig auch Geschäftsinhaber sind. Die Qualität ihrer Kaffees spricht für ihre ausgezeichneten Beziehungen zu den Kaffeeproduzenten und -röstern, die in der Regel sehr eng zusammenarbeiten, um eine gute und ausgewogene Tasse Kaffee zu kreieren.
Cafés wie Azahar und Libertario sind schöne Beispiele für Spezialitätencafés, die immer wieder einen Besuch wert sind. Das Café San Alberto, eines meiner Lieblingscafés, verkauft ausschließlich Kaffee aus eigenem Anbau. Auch wenn die Auswahl an Kaffeebohnen nicht so groß ist, bietet es doch eine erstklassige Ästhetik und eine breite Palette von Zubereitungsmethoden für seinen Kaffee.
Ich jedenfalls vermisse den Kaffee in Bogotá sehr. Sei es der günstige Tintico, der edle Cappuccino oder der dekadente Naturkaffee, der mit einer Chemex gebrüht wurde. Alle sind köstlich und eine Bereicherung für die Stadt.
Über den Autor
Translator and coffee enthusiast. Here to write, read and learn about coffee!